Donnerstag, 19. Mai 2011

Zeit

Es ist dunkel. Ich stehe im Regen und warte. Mein Atem geht schnell. Ich zwinge mich, mich zu beruhigen. Stelle in Gedanken auf "Slow-Mode". Warte. Noch fünf Minuten. Als sie ankommt, sehe ich sofort, dass sie gehetzt ist. Statt ihres leuchtend roten Schirms bedeckt die Kapuze ihres Pullis ihren Kopf, die vorderen Strähnen ihres Haars hängen tropfnass hinunter. Ihre Schminke ist gänzlich verschmiert. Ich lächele sie an.
"Danke, dass du Zeit für mich hast."
"Gerne", sage ich, "du wolltest reden?"
Ihre großen dunklen Augen schauen mich an, füllen sich mit Tränen. Oder sind es meine? Vielleicht sehe ich nur verschwommen?
"Was ist los?"
Dann redet sie. Erzählt es mir. Mit jedem einzelnen ihrer Schluchzer wird mir bewusst, dass ich hinter ihr stehe. Ich nehme sie in die Arme, dieses kleine, schutzlose Geschöpf und küsse ihren Kopf.
"Hey. Kleines. Das ist okay."
 Sie lehnt sich gegen meine Schulter. Dann schaut sie auf ihre Uhr. Blickt in die Ferne. Geht.
Anstatt ihr nachzuschauen, gehe ich ebenfalls. In die andere Richtung. Bahnhof.
Als ich im Zug sitze, bekomme ich eine Sms. "Danke."

(c) million-voices

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